AV - Beste Ablenkung vom Dauerregen
Mehrstimmige Lieder, tolle Musik und witzige Kabarettnummern, von sympathischen Herren aus Bayern mitgebracht, machten die Sintflut rund um die alte Hofersäge in Appenzell am Samstagabend zeitweise vergessen. Auf alle Fälle haben sich die über 100 Gäste der Kulturgruppe mit «Mistcapala» bestens amüsiert.
So etwas hat’s wohl noch nicht gegeben in Appenzell: Ein Mann in knappem Lack und Leder entzückte das grosse Publikum, das am Samstagabend in die alte Hofersäge geströmt war, um ein bayrisches Herrenquartett kennenzulernen. Rund um die Scheune, die sonst als Töpferei und Galerie dient, rauschten die Bäche, Regen prasselte auf das Dach und Musiker und Publikum machten sich ein wenig Sorgen wegen des stetig anschwellenden Hochwassers.
Die Gruppe «Mistcapala» aus Landsberg am Lech sorgte aber bald für beste Ablenkung: Armin Federl, Vitus Fichtl, Tom Hake und Tobias Klug erzählten Geschichten in mancherlei Dialekten, beeindruckten durch das gekonnte Spiel auf vielerlei Instrumenten aus Mittelalter und Moderne. Darunter waren gesungene Erzählungen und Tiefgründiges in der Tradition bester deutscher Liedermacher oder ein ironischer Ritt auf der in die Jahre gekommenen Neuen Deutschen Welle. Ein schmalziger Schlagerstar mit verdächtigem Akzent schäkerte wie ein Albtraum im rosa Jackett mit dem Publikum. Lüpfige Tanzlieder aus alter Zeit auf ebensolchen Instrumenten gespielt – mindestens fünf verschiedene Dudelsäcke und eine Drehleier kamen zum Einsatz – animierten zum Mitklatschen. Und da war eben dieser S&M-Unlustknabe, der sich linkisch zum Brummtopf-Rhythmus präsentierte.
Bayrische Glücksbringer
Das Applaudieren und Jubeln haben die Gäste der Kulturgruppe Appenzell in einer Aufwärmnummer geübt. Es hätte bestimmt auch ohne Einführung geklappt, denn die vier Männer warteten mit lustigen Sketches auf – aus ihrem wahren Leben gegriffen, wie sie beim Plaudern an der Bar verrieten – mit Wortwitz und mit Karikaturen: Etwa mit dem überkorrekten Schweizer Grenzbeamten oder dem zeternden Alten mit Flaschenbodenbrille und seinen musizierenden Nachbarn. Oder mit dem übellaunigen Hausabwart, dem wild tanzenden Wurzelmännchen vom Ammersee oder einem makaber dichtenden Jäger. Das alles wurde mit flott arrangierten Musikstücken kombiniert, einer originellen Mischung aus historischen Instrumenten, Kontrabass, Akkordeon, Gitarren, Klarinette, Mandoline, Harfe und Flöten.
Die vier Männer kommen aus der Stadt, wo laut Untersuchung eines namhaften Magazins die glücklichsten Menschen Deutschlands leben. Armin Federl (Akkordeon und anderes mehr) und Vitus Fichtl (Gitarren und so weiter) arbeiten dort unter der Woche als Laborant und Rechtsanwalt und sind seit der Schulzeit befreundet. Multiinstrumentalist Tom Hake ist Profimusiker und ein Naturtalent als Schauspieler; Bassist Tobias Klug ist im damaligen Ostdeutschland aufgewachsen und macht neben Musik auch Kinder- und Figurentheater. Am Samstagabend sorgten die fabelhaften Vier mit ihrem Programm «Ein Herrenquartett unterwegs» für Sonnenschein im Gemüt und Lachmuskeltraining – und machten damit etliche Appenzellerinnen und Appenzeller mindestens einen Abend lang glücklich.
Text und Bilder: Monica Dörig