AV - Bye bye Troja
Eine Reise von Appenzell zum antiken Troja, nach Hollywood und wieder zurück stand am Samstagabend auf dem Programm des «Tübli» an der Hirschengasse in Appenzell. Die Kluturgruppe der GfI hatte den satirischen Ausflug organisiert. Der Schauspieler Hans Schwab und die Regisseurin Ronka Nickel fungierten als kompetente Reiseleitung.
Josef Manser, nach eigenem Bekunden ein alter Grieche, hatte sich zu Recht auf das hochstehende Programm gefreut. Der ehemalige GfI-Präsident hatte die Gäste zu letzten Mal im «Tübli» an der Hirschengasse begrüsst: «...zum letzten Mal weil das Tübli eine neue wirtschaftliche Ausrichtung pflegt und die Kultur da keinen Platz mehr hat».
Man musste sich nicht auskennen in der griechischen Mythologie oder ein versierter Kinofreund sein, um seinen Spass zu haben an Hans Schwabs satirischem Ausflug «Bye, bye Troja». Der in Bern und Wien aufgewachsene Schauspieler führte das geneigte Publikum am Samstagabend mühelos durch die Zeiten und Welten. Dafür genügten ihm spärliche Requisiten: ein Kampfhelm, der Olympiahut der deutschen Sportler, eine unsägliche Polo Hofer-Sonnenbrille, eine dorische Säule und ein Glas griechischer Wein.
Hollywood und Illias
Zehn Jahre hatte der Krieg um Troja getobt. Und das alles nur weil der trojanische Recke Paris die schöne Griechin Helena geraubt hatte. Eigentlich eine Privatangelegenheit, meinte Hans Schwab, doch wahrscheinlich sei es um etwas ganz anders gegangen, wahrscheinlich um Öl. Der Kabarettist pickte aus dem antiken Stoff die wahren Rosinen. Hollywood Streicht die Götter aus seinen Sandalenfilmen ersatzlos - »Massenmobbing!» Der Kabarettist machte sie mit dem Publikum im «Tübli» bekannt. Das waren die echten Kerle, nicht nur mit Muskeln bepackt, sondern mit Charakter und Gefühlen ausgestattet! Hans Schwab stellte sie mit umwerfender Mimik und grossartiger pantomimischer Körpersprache dar. Die Schauspielkunst eines Brad Pitt, der zu jeder Gefühlslage den selben Gesichtausdruck auflegt, verpufft im Nu, wenn man Hans Schwab zusieht. Überhaupt: der Hollywoodstreifen «Troja», der im letzten Jahr über die Leinwände geflimmert war, sei fehlbesetzt, sind sich Matthias Deutschmann, der Autor von «bye, bye Troja», und der Darsteller einig. Die zentralen Figuren kommen nicht vor. Weder Göttervater Zeus, «der Geschäftsführer der olympischen Schicksals GmbH», den Schwab heiser nuschelnd an Marlon Brandos Paten anlehnte, noch die unkende Priesterin Kassandra finden Platz im Hollywood-Plot. Dabei lieben die Amerikaner doch apokalyptische Szenarien, vor allem von deutschen Regisseuren überbordend inszeniert. «Die Welt wird untergehen, doch Amerika kann gerettet werden», lautet die Botschaft.
Lehrreiche Lektionen
Wie gut, dass sich der Kabarettist Matthias Deutschmann des Homerschen Stoffes angenommen hat. Er hat in der Illias das ideale Drehbuch gefunden und sie mit geschliffenen Monologen für den Reiseleiter Schwab angereichert. Da ist alles vorhanden was das Herz begehrt: Helden, schöne Frauen, Intrigen, Schlachtgetümmel und kluge Gedanken. Und die Götter! Dem Schauspieler hat Deutschmann die göttlichen Rollen auf den Leib geschneidert und die Anweisungen für mögliche Kameraeinstellungen gleich mitgeliefert. So lernten die Zuschauer nicht nur eine gehörige Lektion in griechischer Mythologie, sondern en passant auch Drehbuchschreiben und Kameraführung.
Anregendes Kabarett
Die antiken Verse zitierte Schwab in klassischer Bühnensprache so packend, dass man einen Moment vergass, dass man im Säli eines Dorfrestaurants sass - wären da nicht die «Kannibalengesänge» der Wirtshausgäste gewesen, die ungewollt den Soundtrack zum blutrünstigen Kampf zwischen Hektor und Achilles geliefert hatten. Wenn die homerschen Verse dem Publikum gar viel abverlangten, holte sie der Akteur flugs zurück in die Aktualität. Er nahm Bezug zur Weltpolitik, zu lokalem Geschehen und zum amerikanischen Filmschaffen, scherzte mit den Zuschauerinnen, zog sie in seine Überlegungen mit ein. Hans Schwab erzählte dem begeisterten Publikum die Geschichte des Trojanischen Krieges zu Ende, weil er weiss, dass es «der Spassgesellschaft an finaler Abgebrühtheit fehlt», um sich mit dem abrupten Schluss der Illias abzufinden. Vielleicht wird sich die eine oder der andere aus den Zuschauerreihen die nächste Verfilmung eines historischen Stoffes etwas genauer ansehen oder sich in die dramatischen Verstrickungen der griechischen Götterwelt vertiefen. «Bye bye Troja» lieferte in jeder Weise Anregung dazu.
Monica Dörig