AV - Das Leben ist ein Kreisel
«schön & gut», ein Schweizer Kabarettistenpaar höchster Güte hat mit der Festgemeinde im Löwen-Saal in Appenzell am Samstag einen Verkehrskreisel eingeweiht. Für die Kulturgruppe GF! ging damit ein erfolgreiches Kulturjahr fulminant zu Ende.
«Das Leben ist wie ein Kreisel: Man fährt hinein, igendwann setzt man den Blinker und fährt wieder hinaus». Herr Schön ? Metzger von Beruf, im Herzen ein Dichter ? hat viele solcher Weisheiten auf Lager. Als er nach langer Zeit Frau Gut ? Matrosentochter aus Hamburg mit Emmentaler Wurzeln ? wieder trifft, kann er einige davon vom Stapel lassen.
Die beiden, mit wenig Glück in der Liebe und im Geschäft gesegnet, treffen wieder in Grosshöchstetten aufeinander. «Es ist eine Illusion zu glauben, das Glück
käme auf zwei Beinen zur Tür herein», weiss Herr Schön. «Bei ihnen kommt es auf vier Beinen, als Schwein», weiss Frau Gut, deren Firma für Hafenrundfahrten
den Bach runter geht.
Mitten im Festtrubel um die Einweihung des Verkehrskreisels tauschen sie Lebensweisheiten aus und erzählen von der Ich-AG, vom Schönheitswahn, von grossen und kleinen Fischen, von Beziehungsfrust, kleinkarierter Denkart und eben auch von der Liebe.
Zeige mir deinen Kreisel
Die Festgemeinde war am Samstag das Publikum im Löwen Saal von Appenzell. Es kam in den Genuss der grossspurigen Reden von Gemeindepräsident Kellenberger Peter, einer bitterbösen Predigt und des Chüngelischätzens im Kreisel. Die beiden Kabarettisten Anna-Katharina Rickert und Ralph Schlatter erzählten Geschichten aus der Gemeinde mit poetischen Wortspielen und skurrilen Figuren. Flugs wechselten sie die Rollen von Frau Gut und Herrn Schön mit denen der Chüngelizüchter und Provinz-Haudegen, oder visualisierten ein besonders sinnliches Navigationssystem. Nicht
alles war politisch korrekt aber urkomisch. Da konnte den Festbesuchern das Lachen auch mal im Hals steckenbleiben. Das Duo piesakte die Kleinmütigen und ach so Schweizerischen. «Zeige mir deinen Kreisel und ich sage dir wer du bist».
Warum ein Kamel in den Grosshöchstettener Kreisel geraten ist und den Blumengruss gefressen hat, erfuhr die Festgemeinde erst spät. Eine der Erklärungen würde einem Science Fiction-Film gerecht.
Das Leben ist ein Melkeimer
Und die adrette Frau Gut fand auch bei ihrem zweiten Besuch in Appenzell, resp. Grosshöchstetten, ihren Traumprinzen nicht. Dabei hatte sie doch dem verblichenen Grossvater James ? Schirmvertreter und Bauer im Nebenerwerb ? versprochen, seiner einzigen Grossvieheinheit zu liebe, wegen Kuh Ida, einen Bauern zu heiraten. Der grossmaulige Kellenberger entspricht nicht dem Wunschprofil «grün und nachhaltig», dafür weiss er worum es geht: «Das Leben ist ein Melkeimer: morgens wird gemolken, mittags rahmt man ab und abends ist alles in Butter».
Die beiden Autoren und Schauspieler aus Zürich und Schaffhausen wurden 2004 mit dem Salzburger Stier ausgezeichnet. Einmal mehr haben sie ein Programm geboten, das nicht nur mit Sprachwitz erfreute, sondern die Gesellschaft und Politik und die menschlichen Unzulänglichkeiten aufs Korn nahm. Mit wenig Requisiten, mit umwerfender Mimik und Körpersprache führten sie die Figuren und deren wundersame Geschichten vor und sangen biologisch abbaubare Liedchen.
Das Programm begann so zaghaft wie die verklemmte Annährung von Frau Gut und Herrn Schön. Es entwickelte eine Eigendynamik wie ein Dorffest und schliesslich konnte es einem schwindlig werden vor Lachen über das Allzumenschliche und das Leben an und für sich.
Das Leben ist ein Kabarettstück
Herr Schön und Frau gut werden weiterhin ihrer Wege ziehen auf der Suche nach dem kleinen Glück. Im wirklichen Leben werden Anna-Katharina Rickert und Ralf Schlatter sich anfangs nächstes Jahr zurückziehen, um ein neues Kapitel für «schön&gut» zu schreiben. «Das Leben ist ein Kabarettstück», steht auf der CD-Hülle des aktuellen Programms. «Es fängt harmlos an, dann lachen auf einmal die Leute an den seltsamsten Stellen, man wechselt dauernd die Gesichter, irgendwann kippts ins Absurde und am Ende ist es dunkel und alles wird schön&gut». Man darf sich jetzt schon auf ein Wiedersehen freuen, an einem andern Fest, auf einem andern Bahnhof.
Text und Bild: Monica Dörig