AV - Druxache und die Appenzeller Pfeifen

Die Kabarettistin bot im Hotel Löwen Kabarett vom Feinsten: Wortstolpereien und Berliner Lieder

«Pfeffer im Getriebe» versprach die Vorschau für Michaela Maria Drux literarisch-musikalisches Kabarettprogramm «Druxache» mit dem Pianisten Peter Alois Zihlmann. Und was die beiden am Samstagabend im Hotel Löwen in Appenzell boten, war wirklich gepfeffert. Das Publikum auf jeden Fall amüsierte sich köstlich und spendete überschwänglich Applaus.

Bereits der Einmarsch auf die Bühne war beeindruckend: Michaela Drux drückte sich durchs Publikum ? sie ist eine Kabarettistin ohne Berührungsängste ? nahm die Pose einer Primaballerina ein und begann zu sprechen. Wenn man das sprechen nennen will. Sie schmiedete eine perfekte Wortstolperei, hüpfte von Versprecher zu Versprecher, und zwar im kalten Negligée, äh alten Klischee, lobte die keuschen Bürger, äh deutschen Bürger, fürchtete sich vor den nächsten Qualen, äh Wahlen. Und definierte die Personenfreizügigkeit ? des Schweizers grösstes politisches Sorgenkind zurzeit ? auf völlig neue Art: Das sind Leute, die ohne etwas anzuhaben in die Berge steigen, kicher, kicher über den neusten Modetrend in den Appenzellerlanden. Sie besuchte ein olles Bordell, äh stilvolles Hotel, wo unten der Otto, äh unter dem Motto, vereinsamt vergammeln, äh sich gemeinsam abrammeln, äh gemeinsam versammeln: ein sprachspielerische Gaudi.

«Geliebter oder Ehemann»

Versammelt hatten sich im dicht gedrängten Löwensaal gegen hundert Kabarettwillige. Und die bekamen ihr Fett weg, Michaela Drux teilte sie gehörig ein; Dort der 68-iger, ach sieh mal endlich ein Neanderthaler, fand sie auf der Suche nach einem Mann (denn alle anderen so genannten Männer sind ja nicht mehr als reichlich weichlich). Und weil sich Publikum paarweise einzufinden pflegt, war auch die Frage nicht unberechtigt: «Geliebter oder Ehemann?» Und: «Ach sie mal, wie er sie festhält!» Aber auch der Schreiberling kam nicht ungeschoren weg: Ohne H, nicht Waldemahahahr, Waldemar! Und aus dem Fotografen machte sie in äusserst ehrverletzenderweise Weise einen Pornografen! Um sich aber beim Publikum wirklich beliebt zu machen, mopste sie den Damen auch noch die Handtaschen. Als verrückte Kleptomanin, doch dann verteilte sie Stolas, um echt-verruchte Salon-Stimmung aufkommen zu lassen.

«Perverse Saufabende»

Die Anwesenheit eines Pianisten, Stolas für die Damen und Stichwörter wie Neanderthaler und Waldemar zeigen es: Michaela Drux hatte nicht nur eine flinke Klappe, sie sang auch, und zwar Berliner Lieder, vorzugsweise Friedrich Holländer, aber auch andere: Zum Beispiel eben das Lied vom Waldemar. Da wagte es der Homosexuelle Bruno Balz doch in Zeiten der Nazis, dem arischen Schönheitsideal von blonden Recken mit blauen Augen in seinem Lied einen Waldemar mit schwarzem Haar entgegenzusetzen. Die goldenen 20-iger Jahre, in die Michaela Drux entführte, waren leicht beschwingt, vielleicht gerade in Ahnung der kommenden Katastrophe. In dieser Zeit gab es perverse Saufabende, äh, diverse Aufgaben. Zum Beispiel galt es, wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden: Ganz ohne Liebe geht es nicht. Moulin Rouge und Cordon bleu! Basta!

Hilf dir selbst!

Auch der Pianist, der Kapellmeister, Kapellmeier kam nicht ganz ungeschoren davon, als sich die mondsüchtig gewordene Soufragette auf seinem Klavier räckelnd austobte, wurde er zum (Klavier spielenden) Kostumträger degradiert, sein Gesicht guckte winzig aus einem Pappmoon. Und das Publikum wurde aufgefordert mitzupfeifen, was auch gehorsam (und gerne) getan wurde ? ihr müsst eine Schnute dazu machen, wie sagt ihr, «äs Schnörrli» ? und als alle gerade so schön und musikalisch ihren Mund verzogen hatten, rief die angetane Kabarettistin stimmungskillend: «Ein neues Programm ? Miachaela Dux und die Appenzeller Pfeifen!» Für einmal aber rächte sich das Publikum: Als sich Michala Drux auf dem Klavier halsbrecherisch wand, fragte sie sich, ob in den Männerköpfen keiner auf die Idee käme: «Der musst du runter helfen!» Es gibt keine Gentlemen mehr, jammerte sie als sitzend gelassene Holde. Selber Schuld: Ihr mit eurer Emanzipation, helft euch gefälligst selber! Oh diese selbständig gewordenen Weiber: «Ich liebe kleine Kinder, wenn sie von anderen sind!»

Coolcoolcool

Und sie half sich selber, machte sich das Publikum «untertan». Kanon für alle! Ihr singt: «Bumm bumm, der Zeitgeist geht um.» Und ihr zur Währungskrise: «Wir gehen zur Finanz auf Distanz!». Doch nichts wird so heiss gegessen, wie es gekocht wird: «Coolcoolcool, cool auf meinem Stuhl!» Oder, für freie Geister: «Coolcoolcool, ob hetereo oder schwul!». Eine Publikumsecke wurde zur Schreitherapie verdonnert: Einfach das Tier in dir rauslassen!
Aggressionsabbau. Und: «Ein SMS gegen Stress!» Wer in diesem Moment nicht auf alles vorbereitet den Löwen-Saal betreten hätte, wäre vermutlich verstört auf ziemlich dumme Gedanken gekommen: Ist hier ein Irrenhaus? Oder er hätte es sogar christlich religiös interpretiert: «Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder!» Es war in höchsten Masse amüsant. Und auch nicht verwunderlich, dass Drux und Zimmermann nicht ohne Zugabe «entlassen» wurden: bis zum nächsten Mal.

«Rausländerin»

Ein druxisches Müsterchen noch, um zu zeigen, wie die Kabarettisten Michaela Drux ernste und schmerzliche Politik verband mit ebenso ernstem, aber erheiterndem, erhellendem Witz: «Als Deutsche habe ich mich natürlich schwarz gekleidet, als schwarzer Rabe, und ich warne und warne: Achtung, eine Unbefugte betritt die Schweiz! Aber keine Angst, ich geh dann wieder! Vorher aber werde ich, als hungriger schwarzer Rabe, der ich nun einmal bin, alles wegfressen in eurem Chäslädeli! Ich stehle und stehle und stehle!

Text und Bild: Toni Dörig