AV - Gemeindefusion scheitert an Verlustangst
Was mit einer toten Kuh begann, endete am Samstagabend im Restaurant Alpstein in Appenzell mit entflammten Herzen und gesprungenen Funken. Am Ende des Programms «Schönmatt» des Schweizer Kabarettduos «Schön & Gut» war alles schön und gut – fast alles: die geplante Gemeindefusion scheiterte. Das Publikum hingegen war hell begeistert.
Endlich, endlich: Metzger Schön gelang es, der Matrosentochter Gut einen Antrag zu machen. Und der volksnahe Gemeindepräsident von Grosshöchstetten, Peter Kellenberger, stand nach einigen Umwegen zu seiner Liebe zur lettischen Hausangestellten Agneta. Davor spielten sich einige Scharaden um private und kommunale Fusionen unter der tausendjährigen Linde ab, kommentiert von den putzigen Herrn und Frau Meise im Geäst, die immer wieder feststellen mussten: «Die Menschen haben einen Vogel».
Kommunale und andere Fusionen
Das Programm des Schweizer Kabarett-Duos «Schön & Gut» passte diesmal besonders gut nach Appenzell Innerrhoden, als sei es auf die Debatte um Bezirkszusammenschlüsse gemünzt. Anna Katharina Rickert und Ralf Schlatter spielen in «Schönmatt» zum vierten Mal Frau Gut und Herr Schön aus der Provinz. Um sie tobt der ganz normale Schweizer Alltag, sie werden verstrickt in gemeindepolitische Scharmützel und andere Techtelmechtel und finden sich immer wieder in tiefsinnigen Dialogen zur Lage der Gesellschaft, der Nation und der Welt.
Ausgerechnet vor dem Fusions-Brunch trifft ein Blitz Frau Guts wertvolle Grossvieheinheit, exakt auf der Grenze zum fusionsbereiten Konolfingen. Da sich für die Entsorgung niemand zuständig fühlt, wird sie von Metzger Schön abtransportiert, was sein schüchternes Verhältnis zur Angebeteten belastet.
Der Willen der Gemeinden sich (u.a. wegen Nachwuchsmangel in den Ämtern) zusammenzutun, strauchelt derweil über kleinliche Animositäten. Auch ein Wettbewerb kann das Scheitern der Fusion nicht verhindern: Dem tollsten Paar, das sich spontan auf der «Schönmatt» trauen lässt, winkt ein Einfamilienhaus in der dort geplanten Schlafgemeinde-Idylle.
Die Geschichte bietet den Kabarettisten ein Tummelfeld, sich über den Ausverkauf der Landschaft und den (nicht essbaren) Siedlungsbrei auszulassen. Sie orten das grösste Problem der Schweizer: die Angst vor allem und jedem, nicht zuletzt davor die Postleitzahl zu verlieren.
Ralf Schlatter und Anna Katharina Rickert legten im Restaurant Alpstein eine Parforce-Leistung hin: Sie spielten alle Rollen mit hinreissender Mimik und Körpersprache: die beiden rhetorisch geschliffenen Vorsteher der fusionslustigen Gemeinden, den salbungsvollen Pfarrer, die Gastarbeiterin, ein kurrliges Pärchen, den linkischen, Wörter jonglierenden Herrn Schön und die tiefsinnige Frau Gut.
Kabarett vom Allerfeinsten
Bei so viel Wortspielereien, geistreichen Anspielungen, literarischer Textqualität, schauspielerischem Können, witzigen Pointen und bitterbösen Liedern hatte das Publikum im ausverkauften Saal stundenlang zu lachen und zu denken. «Schön & Gut» – zum dritten Mal eingeladen von der Kulturgruppe Appenzell – boten wieder einmal Kabarett vom Allerfeinsten: gescheit, politisch, lustig, frech, poetisch und ein bisschen makaber. Das begeisterte Publikum darf sich freuen: Ralf Schlatter, der auch Bücher und Hörspiele schreibt, und Anna Katharina Rickert arbeiten an der Fortsetzung. Es ist zu hoffen, dass Herr Schön und Frau Gut auch damit wieder Appenzell den Spiegel vorhalten werden.
Text und Bilder: Monica Dörig