AV - Musik zum Abheben
Balkanbeats und Klezmermusik sind seit langem die Lieblinge der Worldmusik. Viele Musiker – nicht alle mit Wurzeln in Osteuropa – zelebrieren diese Musik, die in die Beine fährt und das Herz berührt. Grossmütterchen Hatz Salon Orkestar gefiel dem Appenzeller Publikum mit einer besonderen Instrumentierung und raffinierten musikalischen Ideen.
«Die Band hatt's in sich», kalauerte der Leiter der Kulturgruppe Appenzell, Silvio Signer, als er das grosse Publikum am Samstagabend in der Töpferei und Galerie zur Hofersäge in Appenzell begrüsste. Das stimmungsvolle Ambiente passte wunderbar zur weltläufigen Musik des «Grossmütterchen Hatz Salon Orkestar», die sich aus dem musikalischen Erbe Osteuropas nährt, die die drei Musiker um Sängerin und Akkordeonistin Franziska Hatz aber mit viel Eigenem und originellen Ideen erweitern.
Deftig, pikant und zartschmelzend süss
Ihr Programm schmeckt wie die Küche östlich von Wien: deftig, pikant und zartschmelzend süss. Die Instrumentierung der österreichischen Band liefert exquisite Ingredienzien für das jiddisch-österreichisch-balkaneske Gericht: Sehnsuchtsklang der orientalischen Metallklarinette, versschnörkelte Jazzimprovisationen mit Tenor- oder Sopran-Saxophon, der erdige Ton der Bassklarinette – alle Blasinstrumente spielte Richie Winkler, der auch komponiert und arrangiert. Zugefügt wird das Seufzen, Klagen und Singen der Bratsche: Simon Schellnegger entlockte seinem Instrument nicht nur warme Melancholie, er liess es Kreischen wie Möwen, Heavy-Metal-Crescendi krachen, er zupfte liebliche Begleitung oder liess die Saiten psychedelisch flirren. Mit dem diskret eingesetzten Loopgerät schuf er eine betörende Fülle; und wenn sich seine Melodien vor dem Hintergrund der Akkordeon-Harmonien mit den Kantilenen der Blasinstrumente verwoben, schwebten polyphone Klanggebilde himmelwärts. Techniker Wolfgang Friess verfeinerte den schleppenden Balkangroove, die wilden Schwiegermutter-Tänze, den Krisen-Klezmer, die Kreistanznummer und Neu-Kompositionen mit wohldosierten Klangeffekten. So gingen rauschender Regen und randvolle Bäche rund um den lauschigen Schuppen vergessen. Grossmütterchen Hatz und ihre Mannen übertönten sie eh.
Köstliche Beilagen
Von den teuflisch schnellen Passagen hoben die Vier regelmässig ab zu brillanten Improvisationen und zu herzanrührenden Intermezzi – auch Drummer Julian Pieber, der nicht nur die Temperatur für das einzigartige Geköch vorgab. Mit seinem reichhaltigen Sortiment an Rhythmen und Geräuschen, mit seiner locker narrativen Spielart, kreierte er köstliche Beilagen.
Das Herz der Band ist Franziska Hatz. Dank ihrer slowenischen Grossmutter, «die gerne gesungen und getanzt und a Glasl Wein getrunken hat», entdeckte sie das Akkordeon. Sie leitete charmant durchs Konzert und sang mit ihrer anrührenden glockenhellen Stimme englisch, slowenisch oder deutsch, zum Beispiel von Frauen mit roten Ohren, die die Übersicht verloren. Sie jodelte ein herzergreifend schönes Intro oder ermunterte das Publikum zum Mitsingen, -stampfen und -klatschen. Das tat es freudig.
Was ihnen das Grossmütterchen Hatz Salon Orkestar servierte, schmeckte den über hundert Gästen vorzüglich. Nur manchen war es ein bisschen zu heiss aufgetischt.
Filmnächte verschoben
Zum Jahresprogramm der Kulturgruppe Appenzell gehören die beliebten Filmnächte am Ende der Sommerferien. Anders als im Programm angekündigt finden sie heuer einen Tag früher statt – nämlich am Donnerstag, 6. und Freitag, 7. August. In der Töpferei und Galerie zur Hofersäge werden wieder zwei vergnügliche, tolle Filme zu sehen sein; die Gartenwirtschaft mit Grill und die Bar laden ab 18.30 Uhr zum Verweilen ein.
Text und Bilder: Monica Dörig