AV - «Paganini war der grösste aller Sadisten»

Smoking Chopin» mit «thomas und lorenzo»:

Musik, die vor allem zum Lachen reizt

Eigentlich sind sie Musiker, siespielen Bethoven, Schubert undMozart - Klassiker also. Aber"thomas & lorenzo" sind auchathletisch auf der Höhe. Und sie haben als Schauspieler einiges zubieten, vor allem was die Mimik betrifft. Was daraus entsteht ist ein herrlicher Klamauk. Das Publikum dankte die Musikclownerie an Samstag im Hotel Löwen mit herzerfrischendem Gelächter.

 

«thomas & lorenzo» sind Musikclowns und bilden das «Teatro del Chiodo». Ihr neues Programm heisst «Smoking Chopin» und beruht auf einer bestechend einfachen Idee: Die beiden haben Theaterpersönlichkeiten eingeladen, für sie eine Nummer von fünf bis zehn Minuten Länge zu kreieren. So sind acht Musik humoresken zustande gekommen, sehr unterschiedlich in der Art, aber mit einer Gemeinsamkeit: Virtuos gespielt wie es Thomas und Lorenzo halt können, lösen sie beim Publikum ungebremste Heiterkeit aus.Vielfach war das Slapstick der amüsantesten Art, gespickt mit beeindruckender Akrobatik, toller Mimik und - was dabei fastuntergehen könnte - mit klassischer Musik, gespielt auf hohem Niveau - Thomas mit der Geige, Lorenzo am Klavier. Zwei unterschiedliche Typen auch: Thomas, der (allerdings nicht immer) nüchterne Deutschsprachige und Lorenzo, voller Gemüt und mit italienischem Akzent.

 

Wenn ein Geiger mit dem Piano

Das Ganze sah dann etwa so aus: Geiger Thomas hasst seine Violine und möchte viel lieber Klavier spielen. Und Pianist Lorenzo hasst sein Klavier und träumt von etwas Kleinem, von einer Blockflöte zum Beispiel. Am allerliebsten aber hätte Lorenzo eine Geige. «Die Unzufriedenen» heisst diese Humoreske, geschrieben vom Schauspieler Philippe Cohen. Dabei wird der Unmut expressiv auf die Bühne geschmettert: «The Piano hateme», schreit Lorenzo. «Es ist ein Folterinstrument, Amnesty International müsste augenblicklich eingreifen», jammert und keift der pianohassende Pianist miteinem Gesicht, als ob er mit dem Hintern in einem Ameisenhaufen sässe. Und der geigenhassendeGeiger Thomas verkündet der Welt voller Herzeleid: «Paganini war der grösste aller Sadisten. Die Violine frisst meine Finger. Und noch schlimmer ist der Geigenbogen, ohne Bogenschützen hätte der hundertjährige Krieg niemals hundert Jahre gedauert. Aus den Saiten aber kann man nichts als Stricke drehen, um sich aufzuhängen. Ach, ein Leben ohne Musik wäre ein Privileg.» Bei all dem muss man sich vorstellen: Es wird unverdrossen und ununterbrochen weiter musiziert - stöhnend, klagend und die Musik verfluchend! Doch das ganze Elend löst sich langsam auf: Zuerst spielen Thomas und Lorenzo gemeinsam auf einer Violine, was an sich schon bereits ziemlich geschickte Finger voraussetzt, dann nehmen beide Musikclowns ihre eigene Geige zur Hand, nur dass sie immer munterer fiedelnd noch Purzelbäume schlagen und andere Kapriolen aufführen. Plötzlich aber sitzt der Geiger mit roter Nase am Klavier und der Pianist mit ebensolch roter Nase traktiert die Geige. Freude allerseits! Nur: Ihr ursprüngliches Instrument haben sie eigentlich besser beherrscht. So ist das Leben, naja!

 

Das Publikum macht mit

Oder es sah so aus: Lorenzo ist,wie er dem ungläubigen Publikum erklärt, ein grosser Pianist und möchte eine Fantasie von Chopin spielen. Natürlich, sowill es der Sketch, muss ihn deshalb das Publikum mit grossemApplaus empfangen. Und dieZuhörer spielen mit: Sie applaudieren und applaudieren. Überhaupt müsste man zur Abwechslung einmal dem Publikum ein Kränzchen winden. Es ist sicher nicht unkritisch, bei weitem nicht, aber es weiss gute Leistungen zu schätzen, was bei einer Aufführung einfach spürbar wird. Und, was besonders erfeulich ist: Das Appenzeller Publikum kommt in immer grösserer Zahl. Am Samstagabend war der Löwensaal mit rund 90 Personen so voll, wie es gerade noch geht.Das ist besonders auch für die Organisatoren, in diesem Fall für die GFI-Kulturgruppe, höchst erfreulich. Es gab auch Zeiten, als Kleinkunst-Vorführungen in Appenzell vor mickrig wenigen Leuten über die Bühne gingen. Dafür gab es damals noch Bühnen zuhauf. Und auch das hat sich geändert. Heute ist der «Löwen» eines der letzten Restaurants, das Kleinkonzerte, Kabaretts und Lesungen noch willkommen heisst. Nachdem nun auch der Kronen-Saal wohl endgültig eingegangen ist, braucht Appenzell dringend einen zusätzlichen Saal für Kleinkunst.

 

Pianistendurchsuchung

Zurück zu Chopin und zu Lorenzo, dem weltbekannten Pianisten. Er spielt und Thomas blättert pflichtbewusst die Noten um. Dummerweise möchte er dabei rauchen. Und findet die Streichhölzer nicht. Was folgt ist eine «intensive Pianistendurchsuchung am spielenden Leib!» Zuerst wird ganz harmlos die Jacke abgetastet, dann kommt, was bereits kitzliger ist, die Hose an die Reihe, schliesslich landet Thomas im Kopfstand auf Lorenzo,während dieser spielt und spielt, auch als er den Stuhl unterm Hintern weggezogen bekommt. Slapstick, wie gesagt. Und ein Publikum, das grölt vor Lachen! Nach dieser Humoreske ist das ganze Programm benannt: «Smoking Chopin», geschrieben vom Choreographen Christian Mattis. «Lieber Herr Mozzarella» Es konnte aber auch so aussehen: Ein Banause von Unternehmer bestellt zum 50. Geburtstag seiner Frau ein Hauskonzert mit einem berühmten Pianisten. Dass der Geldmensch dabei den Namen nie aussprechen kann,wäre ja noch nicht so schlimm, das kompensiert der Musiker mit immer höherer Gagenforderung. Dass er aber bei Mozart das «Puurebüebli» anstimmt und bei Kostproben der grossen Pianistenkunst schamlos einschläft, das geht ganz einfach zuweit. «Herr Mozzarella», wie ihn der Banktresor ohne Kunstverstand nennt, ist ausser sich. So kommt es nie zu einem «HappyBirthday» (Hauskonzert von Franz Hohler)! Oder der Tod des Mädchens (von Regisseurin Barbara Schlumpf): Lorenzo kann die Tränen nicht zurückhalten, «das arme Mädchen», und der Pianist wirft seinem Geiger Thomas Gefühlskälte vor, weil er musiziert ohne zu weinen - bis die Rollen getauscht sind: Dem Violionenspieler rinnen fast die Augen aus, während ihn ein wütend gewordener Pianist trösten muss. Oder aber «die Kunst des Almosenbettelns» (von Alessandro Marchetti, Commediadell'arte): Nur mit ein bisschen Musizieren, da kommt beim Betteln kein Geld zusammen. Das ist ziemlich blöd! Da hilft nur ein Arm, der fehlt! Oder auch Blindheit (die Augäpfel fielen raus vor Schreck und wurden flugs von der Katze gefressen!). Das Dumme dabei ist nur: Wer nichts sieht, sollte es nicht vergessen. Und wem ein Arm fehlt, der sollte die andere Hand benutzen! Oder - natürlich könnte man jetzt jede Nummer einzeln aufführen. Zum Schluss nur so viel: Eigentlich ist es ja schwer genug, gut Klavier und gut Geige zu spielen, aber so wie Thomas und Lorenzo mit ihrem Instrument umgehen, ist es dermassen kompliziert, komplizierter und erheiternder gehts nun wirklich nicht. Es war lustig.

Aber das Leben kann auch traurig sein. In der Vorwoche ist Lukas Birrer gestorben, der langjährige Kassier der GFI-Kulturgruppe. Ihm haben die Organisatoren den Abend gewidmet. Auch Lukas Birrer hätte an dieser unbeschwerten Komik seine helle Freude gehabt. So wie Thomas und Lorenzo Geige spielen, braucht es nicht nur Musikalität, gefordert ist vor allem auch eine tolle Körperbeherrschung.

Bild und Text: Toni Dörig