AV - Schaurig-schöner Novemberabend
Passend zum düsteren Novemberabend lud die GfI-Kulturgruppe am Samstag ein zu einem Krimi-Abend im Löwen in Appenzell. Angelina Gasquez erzählte die schaurige Geschichte als Kommissar Laviolette; Jean Claude Sassine malte mit Pianoimprovisationen den Monolog in dramatischen Farben aus. Das Publikum lauschte gebannt.
Ein dunkler Novemberabend; der volle Mond schimmerte milchig durch die Nebeldecke. Gegen 60 Gäste lauschten fast atemlos der Erzählung von Kommissar Laviolette.
Der französiche Ermittler berichtet von einer schaurigen Begebenheit, die er eines Nachts in einer furchteinflössenden spanischen Kirche erlebt hat. Und in dem die aufmerksam Zuhörenden ihn durch das geheimnisvolle Abenteuer begleiteten, gingen sie mit Laviolette auch ein Stück weit durch sein Leben.
Poesie und Improvisation
Den Monolog hielt die deutsche Schauspielerin Angelina Gasquez. Ohne grosse Gesten, ohne Requisiten und Kostümierung stand sie auf der kleinen Bühne - konzentriert, eindringlich und packend erzählte sie eine ungeheuerliche Geschichte. Das schreckliche daran war wohl die Gewissheit die sich in die Herzen der Zuschauer schlich, dass alles wirklich so geschehen sein könnte.
An der Seite der Darstellerin improvisierte der Solothurner (Teilzeit-)Musiker Jean Claude Sassine am Klavier. Vielen ist er bekannt als ehemaliger Begleiter des Kabarettisten Andreas Thiel.
Fast wie in einem Stummfilm untermalten die perlenden Tastenläufe den vielschichtigen Text: dramatisch, pathetisch, sanft wie der Wind in der Provence, mit spanisch-feurigem Temperament. Sassine trieb die Spannung wohldosiert voran bis zum furiosen Finale.
Dichte Sprachbilder
Die Erzählung des französischen Autors Pierre Magnan hat Angelina Gasquez zu einem Einfraustück mit dem Namen «La Violeta - das Gemälde» verdichtet. Mit Magnans poetischen Sprachbildern entführte sie die Zuhörenden in eine vergangene Zeit, in das Frankreich der Nachkriegsjahre, in das Spanien unter dem Franco-Regime, in eine von Religion und strenger Moral durchtränkte Dorfgemeinschaft.
Die präzise bildhafte Sprache liess mühelos die Kulissen des Geschehens vor dem inneren Auge entstehen. Das Stück steckt voller philosophischer Verweise, geschichtlicher und literarischer Bezüge, zum Beispiel zur Hauptfigur Violetta in der Oper La Traviata (die vom Weg Abgekommene). Laviolette ist nicht nur der Name des «Helden», sondern auch eine Blume und eine Farbe, die sprachspielerisch in der Erzählung auftauchen.
Schuldiger Zeuge
Gasquez' Stimme, ihr reduzierter Ausdruck, ihre vereinnahmende Erzählweise und die wohldosierten Klavierimprovsationen erschufen eine morbide Stimmung - schaurig schön. Das Pubilkum liess sich nur zu gerne fesseln.
Die Geheimnisse des Kommissars Laviolette, in dessen Haut Angelina Gasquez so mühelos schlüpfte, seien hier nicht gänzlich verraten, ebenso wenig sein bewegtes Leben. Nur soviel: Der Franzose hat während einer Auszeit Spanien bereist und ist Zeuge eines Mordes geworden. Eine Dorfgemeinschaft hat eine «Sünderin» lebendig in einer Gruft begraben - offensichtlich nicht das erste Mal - und Laviolette konnte es nicht verhindern. Das Erlebte hat ihn nie losgelassen; doch das Grauen franste mit der Zeit aus. Laviolette widmete hingegen seinen mit Hartnäckigkeit geführten Kampf gegen die Ganoven den Eingeschlossenen.
Die junge Frau mit dem Sträusschen aus Parmaveilchen begegnet dem «schuldigen Zeugen» viele Jahre später auf einem düsteren, Goya zugeschriebenen, Gemälde wieder.
An dieser Stelle sei die Lektüre empfohlen: Pierre Magnan (*1922) hat eine ganze Reihe Romane veröffentlicht, einige mit seinem Kommissar Laviolette als Hauptfigur: Wunderbar geeignet, um sich damit an einem düsteren Novemberabend in eine gemütliche Ecke zu verkriechen und sich mit wohligem Schaudern fesseln zu lassen.
Text und Bilder: Monica Dörig