AV - Schwarzes vom blauen Planeten

Der Wiener Severin Gröbner erteilte dem Appenzeller Publikum

eine Lektion in schwarzem Humor

«Steh auf, nun steh schon auf!» - «Ich mag nicht!» - «Aber draussen wartet ein neuer Tag!» Und die Krise sagt: «Eben!»

Rabenschwarzer Humor

Am Samstag trat auf Einladung der GFI-Kulturgruppe der Kabarettist Severin Gröbner im Saal des Hotels Löwen in Appenzell auf. Gröbner ist Wiener und wie das bei Wienern halt häufig der Fall ist: Sein Humor ist manchmal rabenschwarz. Die Krise ist für ihn - zumindest «auf den Brettern, die kein Geld bedeuten » - ein Dauerzustand. Und umgeben ist er immer und immer wieder von den Monstern des Alltags. Das alles trägt er aber nicht nur mit treffendem Sprachwitz vor, Gröbner ist auch ein guter Schauspieler - er fuchtelt herum, wechselt den Gesichtsausdruck und findet fast immer die passenden Gesten und Bewegungen zum Geschehen. Und er singt erst noch in hörenswerter Manier sehr eingängige Texte. Das erfreulich zahlreich erschienene Publikum - die Appenzeller scheinen langsam aber sicher eine Vorliebe für Kleinkunst zu entwickeln - amüsierte sich prächtig. Was wiederum den Künstler zu Hochform auflaufen liess: Auch er schien den Plausch zu haben am eigenen, manchmal so makabren Tun.

Viel Spass mit dem Weltschmerz

Pech, wenn du in so einer Krise auf eine Frau triffst, und erst noch auf eine attraktive. «Die Krise sagt... doch ich war schneller», was nichts anderes heisst als: Das Anbändelritual beginnt, Krise hin, Krise her. Der unwiderstehliche Mann bejammert in Leierkastenmanier das Elend auf dieser Welt. Und Gröbner wäre nicht Gröbner, wenn er nicht noch Einen draufsetzen würde. Im Vergleich zur tiefschwarzen depressiven Phase der Frau ist unser Krisenmann ein aufreizend lächelnder Heilsoptimist. Und so kommt doch noch alles aufreisserisch gut: «Wenn er endlich zu reden aufhört, nehme ich ihn mit nach Hause.» Und sie hatten viel Spass mit ihrem Weltschmerz, was zwangsläufig zum Schluss führt: Von aussen ist die Erde ein blauer Planet. «Aber nur von aussen», sagt die Krise.

Arsch mit Ohren

Severin Gröbner erzählt Geschichten. Zum Beispiel von einer unwiderstehlichen Verführung der Sekretärin durch den Chef. Er knüpft ihre Bluse auf, was sie mit einem blond-intellektuellen «Aber, aber, hihihi» kontert. Das Ganze endet jedoch statt im Orgasmus in einer widerlichen Kotze: durchsetzt mit rosafarbig leuchtenden Lachsteilchen. Oder dann die Story einer gewaltigen Anhäufung ganz zufälliger Begegnungen mit weltbekannten Stars, erstaunlicherweise vor allem mit solchen, die schon seit Jahren tot sind. Oder der zum Schunkeln reizende Wiener Rap vom Trottel, der fatalistisch erkennt: «Ich bin nichts als ein Arsch mit Ohren, so bin ich halt geboren!»

Blochersche Kalenderreform

«Schenkelklopfen»: Als Severin Grödel ganz am Anfang die Bühne betrat, da klopfte er auf seinen Schenkel das Lied vom Schenkelklopfen, bis die «Tränen tropfen», selbst bei den coolsten «Anthroposophen». Was zuerst ein etwas willkürlicher Einstieg ins Programm schien, erhielt seinen Sinn erst im Laufe des Programms: Gröbner strebt nicht den Humor für ausgelassenes Schenkelklopfen an - («Kennen Sie eigentlich den schon... ») - nein, sein Witz lässt das Blut in den Adern gefrieren. Gröbner treibt mit dem Entsetzen Scherz. Und möchte, das darf man zumindest annehmen, damit zum Nachdenken anregen. Denn einige seiner Botschaften waren durchaus politisch. Zum Beispiel als der Moralkabarettist nach der Julianischen nun endlich die Blochersche Kalenderreform ankündigte: Weil die SVP ja den 1. Mai aus Krawallgründen abschaffen will. Und das würde dann bedeuten: 30. April, 2. Mai. «Da fragt man sich doch: Haben unsere strammen Rechten ein Loch?»

Es stinkt nach Liebe

Und immer wieder die schrecklichen Monster des Alltags, wie gesagt. Zum Beispiel die Liebe, die kurz zu Besuch war: «Jetzt stinkt das ganze Haus nach Love und ich bring den Geschmack nicht mehr raus!» Da hilft kein Lüften und kein Hass-Airfresh! Die Liebe mottet scheusslich vor sich hin! Oder das Monster der Vergesslichkeit: «Da hat doch der Ding mit dem Dings über den Dings, ja was hat er nur? - Ah ja, gedingst!»

Gläubiger Tomatist

Beim Spaghettikochen: Die Tomaten sehen frisch aus. Sind dafür aber aus reiner Chemie: Tomaten als Modedroge! Und werden immer haltbarer und haltbarer! Tomaten sind ewig, verkündet Jesus. Und auf das Christentum folgt der heilige Tomatismus. Auf dem Pizzateig serviert, erklärt der kochende Gottessohn: «Schau Papa, das Jüngste Gericht.» Zugegeben: Severin Gröbner ist kein extrem fundamentalistischer Frömmler. Aber seine Bekehrung des Publikums zum bereits erwähnten Tomatismus scheiterte am Lied über den Atheismus. Man muss sich entscheiden! Also werden wir Agnostiker! Wo aber bleibt das erlösende Heil - Wen wunderts, dass Gröbner als Zugabe das stimmugnsvolle Liedchen sang: «Du, du bist ein depressives Gnu!» Wiener sind halt so, sagt die rassistische Völkerkunde. Aber sie sind sehr unterhaltend, schwächt der versöhnliche Multikultifreak ab.

 

Toni Dörig