AV - Seelenmusiker in Höchstform

Emotional, fulminant, berührend, virtuos: Das Dusa Orchestra ist ein beeindruckender Klangkörper

Spannend mitreissend, fulminant und sehr emotional soll das Konzert werden, sagte der Präsident der Gf! Kulturgruppe. Das Dusa Orchestra, machte sich am Samstagabend daran, das Versprechen im voll besetzten Hecht-Saal in Appenzell einzulösen ? mit Musik, die in die Glieder fuhr, die Herzen berührte und Seelen zum Klingen brachte.

Die vier Ostschweizer Musiker Patrick Kessler aus Gais, Goran Kovacevic aus Engelburg und die Brüder Peter und Enrico Lenzin aus dem Rheintal sind bekannt für ihre temperamentvollen Konzertprogramme. Diesmal nahmen sie das Publikum zuerst einmal sanft bei der Hand. Die Ballade «Nica?s Song» von Peter Lenzin entführte sie in eine musikalische Gegend, in der Gefühle in den Himmel wachsen.

Seelenorchester

Plato hat gesagt: «Musik und Rhythmus finden ihren Weg zu den geheimsten Plätzen der Seele». Die Musiker des Dusa Orchestras kennen den Weg dort hin. Das seelenvolle Musizieren ist ihre Kunst. Kenner der Klassik und der Moderne sind sie, Könner in Jazz und Volksmusik. Mit Sensibilität, Spielfreude und Respekt gegenüber Traditionen und Kulturen kreieren sie ihren Stil, der in kein gängiges Schema passt.
Das Seelenorchester, wie der Name aus dem Serbischen übersetzt lautet, schwimmt nicht einfach mit der Ethnowelle. Mit Liebe zur Musik aus allen Richtungen und zum Leben mit all seinen Schattierungen fügen die talentierten Individualisten aus Jazz-Standards, Traditionellem, Eigenkompositionen und fantastischen Improvisationen suitenartige Klangmärchen zusammen. Nicht umsonst werden sie überall wie eine Popband gefeiert.

Geheimnisvolle Plätze

Die von den Fans heissgeliebte Mélange von Balkansound und Jazz servierte Goran Kovacevic exemplarisch mit «Take 7-9-5» zu Beginn der Expedition zu den geheimnisvollen Seelenplätzen. Ein Sehnsuchtsabenteuer wurde das, getrieben von wahnwitzigen Rhythmen, mit Lebensfreude im Gepäck. Hoch emotional zelebrierte der preisgekrönte Akkordeonvirtuose das Intro bis einem das Herz blutete.

Erholen kann sich der Zuhörer an Dusa-Konzerten höchstens in der Pause. In den facettenreichen Stücken, die gut eine Viertelstunde dauern können, purzeln Musik-Zitate und -Fantasien munter durcheinander: Pipi Langstrumpf hüpft vorbei, Jazz-Grössen wird die Reverenz erwiesen und immer wieder tanzen die Zigeuner.
Der «Dusa Song», die erste Komposition für das vor vier Jahren gegründete Orchester hat sich wie alle Stücke und die Band weiterentwickelt. Wer die vier Profimusiker schon gehört hat, staunt immer wieder über ihren Einfallsreichtum, darüber dass sie ihren Instrumenten immer neue Klangvariationen entlocken, dass ihnen stets weitere spannende Kapitel zur Dusa-Geschichte einfallen.

Drummer Enrico Lenzin zum Beispiel setzte diesmal das Publikum unter Trommelfeuer aus der Cajon, einer scheppernden Holzkiste. Das Publikum hielt angesichts des Tempos den Atem an. Die Rhythmen und Klänge, die er im Lauf des Abends aus dem Schlagzeug und dem scheinbar unerschöpflichen Perkussions-Fundus zauberte, liessen ihn wie einen orientalischen Märchenerzähler erscheinen.

Staunen und Leidenschaft

Die fabelhaften Vier sind vielleicht seelenverwandt; sicher sind sie sich sehr vertraut aus den 200 Konzerten in dieser Besetzung. Das zeigt sich in ihrem schlafwandlerisch sicheren Zusammenspiel, das den Klangkörper wie einen eigenen Organismus anmuten lässt. Sie sind miteinander über den Balkan gereist, haben in halb Europa in berühmten Clubs gespielt, in Kellerlokalen für «Gotteslohn», an Openairs und in ehrwürdigen Sälen.

Bis zum letzten Ton hielten sie auch im Saal des Hotel Hecht die mitreissende Energie. Jeder der vier Seelenmusiker gab alles. Von Goran Kovacevic, Mastermind der eingeschworenen Truppe, Komponist und Arrangeur, waren die 200 Gäste hingerissen. So leidenschaftlich und technisch exzellent spielt kaum jemand hierzulande das Akkordeon. Mancher im Publikum bekam Hühnerhaut, als der Künstler sein Instrument klagen und jubilieren liess; mancher schüttelte verwundert den Kopf, wenn er es ? als sei es eigenständiges Orchester ? in Orkanstärke brausen liess.

Verblüfft beobachtete man Patrick Kessler, der daneben den Kontrabass bearbeitete: Mit spitzbübischem Schalk oder ernsthafter Konzentration oder ausgelassen wie ein Rockgitarrist. Enrico Lenzin stimmte mit einem Kanon von Talerbecken auf Kesslers Komposition «Holly Cows» ein. Da staunten auch die Appenzeller. Der Bassist beschwor erst eindringlich die mystische Stimmung der hiesigen Hügellandschaft, bevor er seine Mitmusiker zur Älplerchilbi antrieb, die in einem wilden Derwischtanz endete, um am Ende wieder in der beschaulichen Heimat anzukommen.

Klingende Seelen

Peter Lenzin wechselte von Saxofon zu Querflöte zu Klarinette. Der brillante Musiker intonierte Lyrisches ebenso beherzt wie teuflisch schnelle Ton-Wirbel, das Herbe gelang ihm ebenso wie das luftig Helle. Wenn die Seelenmusiker in Höchstform spielen wie am vergangenen Samstag, werden Gefühle zu Klang. So wird auch ein tausendfach gehörter Musette-Evergreen wie «La Valse à Margaux» zum Feuerwerk der Emotionen.

Das Orchester hat das vom Veranstalter abgegebene Versprechen mehr als eingelöst. Es unternahm eine Abenteuerreise mitten in die Herzen der Zuhörer und durch das Leben selbst: Zeitweise ein Ritt mit dem Teufel, ein Schwelgen in der Idylle oder irrwitziges Tanzen auf dem Vulkan. Das Publikum forderte mit Standing Ovations mehr davon.

Die von Kovacevic aus traditionellem osteuropäischen Liedgut arrangierte Collage, «An American in Bucarest» fächerte als Zugabe auf, was das seelenvolle Musizieren des Dusa Orchestras prägt: Liebe, Talent, Können und viel Fantasie. Kovacevic, Kessler, Lenzin und Lenzin sind Magier, die die Seelen zum Klingen bringen.

Text: Monica Dörig
Fotos: Thomas Hutter