AV – Senkrechtstarterin in der Kleinkunstwelt
Hazel Brugger, die Senkrechtstarterin in der Kleinkunstszene ist seit Monaten in den Medien präsent und wird mit Superlativen und Preisen bedacht. So wollten den auch viele die Slam-Poetin, Kolumnistin und Comedian in Appenzell sehen. Der Auftritt der angeblich bösesten Frau der Schweiz war seit Wochen ausverkauft. Das Publikum konnte sich am Samstag eine Meinung darüber bilden, was an der Jung-Kabarettistin so aussergewöhnlich ist.
Hazel Brugger liess mehrmals durchblicken, dass weder sie noch wir andern etwas Besonderes sind. Im Gegenteil, in Bezug zum Universum sind wir unbedeutend, findet sie. Im Restaurant Alpstein präsentierte sie keine Bühnenfigur, sondern war einfach sie selbst, liess das gespannte Publikum an ihren mäandrierenden Gedankengängen teilhaben und flocht geschickt etwas Lokalkolorit ein. Hazel Brugger passierte.
Vor knapp einem Jahr startete die Slam-Poetin die mit 17 ihren ersten Fernsehauftritt absolvierte und mit 19 Schweizer Meisterin im Poetry-Slam wurde, ihre Karriere als Standup-Comedian wie sie sich selber bezeichnet. Die 22-Jährige bringt eine für den Grossteil der Kleinkunst-Geniesser im mittleren Alter - gewohnt an klassisches Kabarett der Wortkunst, gewürzt mit wahlweise Poesie, Philosophie oder Politik, oder mit etwas Slapstick oder Musik angereichert –neue Art von Kabarett auf die Bühne. Man hat scheinbar darauf gewartet: Hazel Brugger wird in den höchsten Töne gelobt, wird interviewt und porträtiert, tritt in diversen TV-Formaten deutscher Sender auf, schreibt Kolumnen im Magazin und veröffentlichte gerade ein Buch und eine CD. Sie ist mindestens zwei Drittel des Jahres unterwegs zu Auftritten; diese sind meist lang im Voraus ausverkauft. So auch in Appenzell, wo die Senkrechtstarterin am Samstagabend vor 130 gespannten Leuten über Elementares wie den Eintritt ins Leben und dessen Ende sprach und über Alltägliches und Absurdes, das dazwischen passiert.
Hazel Brugger denkt und redet in grossen Schleifen, sie kommt auf Abwegen und Abseitiges, sie balanciert auf dem schmalen Grat zwischen gesellschaftlicher Norm und Schnoddrigkeit, sie nennt Dinge beim Namen und beschönigt nichts. Sie plaudert lakonisch über Körperteile und Ausdünstungen, selbstironisch und oft makaber. Sie hat ihr eigenes System, was passiert zu gewichten. Der Tod zum Beispiel ist vernachlässigbar: wir sterben zwar eines Tages, aber an allen andern Tagen nicht.
Das Appenzeller Publikum lachte öfter leise als aus vollem Hals. Es war sehr aufmerksam und bei derben Worten schlug sich die eine oder andere Zuschauerin die Hand vor den Mund. Aber es hat den meisten gefallen, auch weil sie die Gelegenheit hatten eine hochgelobte Vertreterin der neuen Comedian-Generation zu erleben. Für die Künstlerin selbst mag die Reaktion des Publikums etwas gewesen sein. Sie ist es gewohnt, dass auch mal gejohlt wird im Zuschauerraum, das das Publikum mehr mitgeht, vor allem aus ihrer Zeit als Slam-Poetin, und weil im urbanen Raum mehr junge Leute im Publikum sitzen.
Für sie sie das Publikum die grosse Show, sagte sie. Da passiere jedesmal etwas Neues, Einzigartiges. Sie hingegen sei ja 24 Stunde immer die selbe.
Hazel Brugger macht keine politischen Witze obwohl sie eine dezidierte Haltung hat zum Geschehen im Land und in der Welt. Was gerade passiert ist aufregend genug um sich darüber Gedanken zu machen. Zum Beispiel die Tatsache, dass weltweit jährlich zehn Menschen vor oder in Snack-Automaten sterben. Da tun sich ganz neue Perspektiven für die natürliche Selektion auf – darum heissen die Automaten wohl „Selecta“. A propos: Sie verreit wie man sich nach dem Ableben originell verewigen könnte. Man könnte sich ausstopfen lassen; in Polen soll es angeblich am billigsten sein.
Die Philosophiestudentin, die gerade nicht viel Zeit zum studieren hat, mag die verrückten alten Ägypter, die sogar Katzen einbalsamierten, sie liest gern Geschichten über skurrile Todesfälle, und sie will nicht dass ihre Seele baumelt. Wenn sie lächelt, dann strahlt Hazel Brugger. Obwohl sie findet, lächelnd sehe man eher debil aus und beim Lächeln zeigt man die Zähne – das einzigen Skelett-Teil, das schon beim lebenden Menschen sichtbar ist. Ein Vorbote des Todes.
Hazel Brugger hat von Kritikern das Prädikat „böseste Frau der Schweiz“ verpasst bekommen und es wurde behauptet sie lache nie. Das stimmt nicht. Sie ist eine der klügsten, witzigsten, schlagfertigsten Frauen der Schweiz, die uns anregt um die Ecke zu denken, Gewöhnliches genauso zu hinterfragen wie Besonderes und was passiert als das hinzunehmen was es meist ist: ein kleiner Furz im Universum. Und sie lächelt nicht wenig. Über all das hat sich das Appenzeller Publikum gefreut.
Text und Bild: Monica Dörig