AV - Was unter der Burka so alles geschieht

«Schenk mir ein Lächeln», Kabarett und Chansons von Birgit Süss im Restaurant Alpstein

«Wenn eine Frau mit Burka eine Mass trinkt, ist das dann ein Bierzelt?» Von wegen schales Witzchen – das war nur eine der Pointen, die das Publikum schallend zum Lachen brachte an einem Abend, der eher langsam begann und immer ausgelassener wurde. Birgit Süss, am Klavier begleitet von Werner Goldbach, plauderte (fast harmlos) vor sich hin und sang «selbstgestrickte» Chansons: fränkischer Humor vom Feinsten.

Es ist natürlich Geschmacksache, aber ja doch, es war der unbestreitbare Höhepunkt des Abends, das Lied von der Burka. In einer süffigen Melodie erzählte, das heisst besang die Kabarettistin Birgit Süss – selbstverständlich zur völligen Unkenntlichkeit in Stoff gehüllt – von den Freuden und Leiden einer Frau, die religionsbedingt eine Burka tragen muss, äh darf. «Unter der Burka ist immer Spass, unter der Burka, da passiert was!» Und weil man da nicht lüften kann, weht da unten ein ganz besonderer Wind! Übrigens: Darf man unter der Burka rauchen? Oh ja, Burka kann schön sein, denn tief verborgen unter diesem Kleiderpanzer – nur ein bisschen Auge bleibt für den verführbaren Betrachter, den immer geilen Mann erkennbar – da unten ist jede Menge Platz für Fantasie. Die Andeutungen, die von der Sängerin stimmgewaltig beschworen wurden, wirkten auf das Publikum mindestens so sexy wie ein nabelfreier Bauchtanz, eben ja, wegen der Fantasie – offensichtlich nicht nur für Männer, auch die Frauen amüsierten sich köstlich, besonders bei der zum Schluss beschworene Vorstellung, dass da drunter ja noch jemand anders sein könnte, vielleicht sogar ein Mann. Ausdrucksstarke Stimme, total eingängige Musik, ein Hauch frivoler Texte, dargeboten von einem sehr konkret umhergeisternden Stoffhaufen, all das wirkte zusammen derart belustigend, dass die beiden Künstler ihr Publikum auf einen Schlag und endgültig gewonnen hatten, wie der begeisterte Applaus zweifelsfrei bewies.

Harmlose Plaudereien?

«Schenk mir ein Lächeln», lautete der Titel des Kabarettprogramms von und mit Birgit Süss, zu dem die Kulturgruppe Appenzell am Samstagabend ins Restaurant Alpstein in Appenzell eingeladen hatte. Mag sein, dass sich das Publikum zuerst an den doch sehr ungewohnten fränkischen Dialekt gewöhnen musste – die eine oder andere Pointe ging da wohl verloren – auf jeden Fall lief der Abend ziemlich langsam an. Vielleicht aber fiel das Publikum zuerst auch nur auf das ach so harmlos wirkende Geplauder der gebürtigen Augsburgerin herein. Allmählich aber begannen sich die überraschenden Spitzen zu häufen, die Doppelbödigkeit des Palavers wurde immer deutlicher. Und schon begannen sich die Lacher zu mehren. Eine ganz besondere Delikatesse bildeten jedoch die von Werner Goldbach am Klavier hervorragend begleiteten Chansons: Da konnte die Sängerin mit ihrer tollen Stimme eine Unart, einen unliebsamer Menschenschlag (oder was auch immer) mit zuckersüssen Tönen derart präzis aufs Korn nehmen, dass nur noch die vollständige Kapitulation blieb: «Hilfe ich ergebe mich!»

Dumm wie Brot

Zum Beispiel das Lied für die Mädels: «Ich bin dumm wie Brot, habe das Hirn einer Amöbe!» Na ja, das kann passieren, doch diese nüchterne Bestandesaufnahme artete aus und wurde zu einem gnadenlosen Duett: «Tut das weh?», sang fragend der Pianist. Und die Sängerin antwortete (gar nicht dumm): «Nein, das tut nicht weh!» Wie sollte es auch: «Ich krieg ja doch nichts mit, nur ihr müsst drunter leiden. Dieser Frage-Antwort-Wechselgesang zeigte eindrücklich, auf welch hohem Niveau die Chansons daherkamen, gerade auch musikalisch.

Tsunami der Leidenschaft
Oder dann die Mann-Frau-Suche: Geht sie doch an ein Date und muss entrüstet feststellen, dass ihr Liebhaber in spe innert kürzester Zeit dick und alt geworden ist . Dabei kam er im Internet doch noch sportlich als «Tsunami der Leidenschaft» daher. Doch wir alle wissen: Haare können von einem Tag auf dem anderen ausfallen (ausser in der Nase und den Ohren)! Aber nicht nur die Männer plustern sich auf bei der Brautschau. Die Frauen sind vielleicht noch schlimmer, wenn sie sich anbieten als Zaubermaus und Zuckerpüppchen: Achtung: Diabetes-Gefahr!

«Spüre die Lücke»
Herrlich das Entspannungslied, ein Fusstritt gegen die mangelnde Gesundheitsversorgung (natürlich in Deutschland). «Wir atmen ein und lassen uns in die Tasche greifen!» Und: «Wir atmen ein, bis wir den Gürtel enger schnallen können!» Dabei wäre alles doch so einfach: «Entspanne dich, spüre die Lücke (und wenns nur die Zahnlücke ist)!

Keine Lust zu meditieren
Zum Dinkel nochmal, da muss doch auch der Biobauernhof sein Fett wegbekommen. Tut er auch! Blöd allerdings: Auch die Sängerin liebt Tiere, allerdings nur wenn sie gut zubereitet sind. Dem Biobauern aber ruft sie zu: «Dein Gewissen ist so rein, wie das Fleisch des Ökoschweins!» Sie aber findet Saubermann extrem langweilig: «Hab keine Lust immer nur zu meditieren, du könntest mich endlich mal verführen!»

Eva und der Führer
Bei dem Applaus, der am Schluss ertönte, fühlten sich die beiden Künstler geradezu zu einer Zugabe genötigt. Was sie auch bereitwillig gewährten. Hier daraus nur eine besonders treffliche, leicht braun gefärbte Rosine: «Eva, du hast den Führer geküsst! Wie kann man nur so besoffen sein?» Und die Moral: Wenn ein Adolf ruft, dann sage: Nein! (Wie schon Wolfgang Borchert forderte.)

Text und Bilder: Toni Dörig