AZ - Abschluss mit Abschuss

Ein explosiver Schlussakt rundete das Jubiläumsjahr ARAI-500 kulturell ab.

Im Vollmondlicht liess der Appenzeller Kunstler Roman Signer einen Tisch und ein Häuschen uber die Kantonsgrenze am Zwislenbach fliegen.

APPENZELL/GAIS. Zuerst stapften und stolperten noch Kleinkinder uber den Sprengplatz am Zwislenbach. Doch als der Höhepunkt des Dienstagabends erreicht war und Roman Signer «kunstlerisch intervenierte» – plötzlich flog ein Tisch durch die Luft –, hatten sich die Schaulustigen in gebuhrendem Abstand in Sicherheit gebracht. Signer erläuterte dem Publikum seine Aktion im Voraus: «Innerrhoden «trätzlet» ein wenig und schiesst einen Tisch mit funf Raketen uber die Kantonsgrenze. Ausserrhoden reagiert massiv und schickt gleich ein ganzes Häuschen mit neun Raketen zuruck.»

Schlussakt bei Vollmond

Rund 700 Zuschauer hatten sich auf der Kantonsgrenze am Zwislenbach zwischen Gais und Appenzell eingefunden. Das Gros der Menge war mit dem Zug angereist. Die Appenzeller Bahnen hatten auf dem Gelände einen Extrahalt eingerichtet. «Die Appenzeller haben 1513 Weitsicht bewiesen, als sie sich fur den 17. Dezember als Datum zum offiziellen Beitritt zur Eidgenossenschaft entschieden», sagte Silvio Signer, Leiter der Kulturgruppe Appenzell. «Die haben sicher gewusst, dass genau ein halbes Jahrtausend später Vollmond ist.» Die Veranstalter des «Grenzhalts», die Kulturgruppe Appenzell und die Kulturkommission Gais, freuten sich uber das Wettergluck. Der helle Mond, die Fackeln am Wegrand und die vereinzelt eingesetzten Spotlights verwandelten den Platz in eine stimmungsvolle Lichterwelt. Erwachsene plauderten gemutlich, während sich Kinder im Schnee tummelten. Hernach galt die ganze Aufmerksamkeit den sechs Textvorträgen. Die Beiträge gingen im Vorfeld als Sieger aus dem Poesiewettbewerb hervor, an dem Jugendliche beider Appenzell teilgenommen hatten. Akustisch wurde der Anlass mit allerlei Klängen und Musik aus dem Appenzellerland untermalt. Patrick Kesslers hölzerne «Kiste» mit integriertem Plattenspieler hatte zuvor die Ledi-Wanderbuhne auf ihrer Reise durch das Appenzellerland begleitet. Der «Grenzhalt» war fur die Kiste letzte Station im Rahmen des 500-Jahr-Jubiläums.

Spektakel mit Zundstoff

Nun war die Reihe an Roman Signer, der mit seinem Projekt «Häuschen an der Grenze» den Schlusspunkt setzte. Mit lautem Getöse hob zuerst der Innerrhoder Tisch ab und landete ennet dem Zwislenbach auf Ausserrhoder Boden. Ein Raunen ging durch das Publikum, um nur kurz darauf wieder zu verstummen. Signer zundete die Raketen, die das Ausserrhoder Häuschen ins Innerrhodische hätte schiessen sollen. Doch eine Rakete explodierte am Boden, eine weitere löste sich vom Häuschen und schoss weit uber das Publikum hinaus in die Dunkelheit. Das Häuschen selbst landete direkt im Zwislenbach. Roman Signer gefiel der ungeplante Ausgang des Experiments. «Ich bin sehr zufrieden mit der Aktion», sagte er. «Hauptsache ist aber, dass den Zuschauern nichts zugestossen ist.» So konnte Signer den erlösenden Applaus eines zufriedenen Publikums geniessen.

Am gleichen Ort inszenierte Signer 1989 die «Zundschnur»-Aktion, welche die Ausserrhoder Polizei damals erfolglos zu verhindern versuchte. Im grenzubergreifenden und Grenzen uberwindenden kunstlerischen Schlussakt des ARAI-500-Jubiläums klingt damit vielleicht auch ein versöhnlicher Ton fur den einst in seiner Heimat so umstrittenen Kunstler Roman Signer
mit.


Text: Roman Hertler (Appenzeller Zeitung)
Bilder: Toni Küng (Gossau)