Duschin Duschin Bum Bum Bum
Lautmalerisch der Programmtitel: Duschin Duschin Bum Bum Bum. Lautmalerisch die jiddischen Texte, die die Musiker von «Cheibe Balagan» vertont haben. Und lautmalerisch der Name der wilden Klezmer-Truppe, die von der Kulturgruppe Appenzell eingeladen worden war in der Kunsthalle aufzuspielen: Cheibe Balagan.
Obwohl im Konzert nicht aufgelöst, sei hier dank Insiderinformationen die Bedeutung verraten: Cheibe Balagan ist zusammengesetzt aus dem schweizerdeutschen Adjektiv «cheibe», das alle verstehen und dem hebräischen balagan, das oft benutzt wird und viele Bedeutungen hat: vom ausgelassenen Feiern bis zum Chaos, vom Durcheinander bis zur Verwirrung. So verrät der Name der siebenköpfigen Band, bei der seit einem Jahr die Innerrhoder Ausnahme-Bassistin Madlaina Küng mitwirkt, was zu erwarten ist, wenn die jungen Leute die Bühne entern: Auf Klezmer-Art übersetztes Liedgut von heute und gestern; Zitate von Computerspieltönen bis Hummelflug; witzige und traurige jiddische Gedichte oder Wortspielereien haben sie in typische Melodien transponiert.
Die klassische Klezmermusik wird mit Saiteninstrumenten gespielt, vorab mit der Geige – bei «Cheibe Balagan» ist Edouard Mätzener der höchstvirtuose Fidler. Oft spielen Cello - Hitomi Niikura liess elektronisch verstärkt Saiten vibrieren und sang mit mädchenhafter Stimme dazu - und Kontrabass die tragenden Melodienlinien; Madlaina Küng agierte souverän und mit grosser Spielfreude. Perkussion würzt die weltliche Musik der Ostjuden kräftig; am Drumset brillierte Gastmusiker Noah Weber. Er verkörperte den lautmalerischen Titel des Programms: «Duschin Duschin» und «Bum Bum Bum» verbalisieren die Klänge von Becken und Pauke. In die Klezmermusik webt das Akkordeon Stimmungsfarben von Paris bis Balkan hinein: Adrian Hofer zauberte zarte Sehnsuchtsharmonien und tanzlustige Akkorde in den Klangraum über dem ehemaligen Ziegelbrennofen. Eine Besonderheit von «Cheibe Balagan» ist der famose Gitarrist und Sänger Marius Schneider. Seine Interpretationen von Trink- und Tanzliedern, von Liebesliedern an einen Grossvater oder einen Josef, an eine heimlich Angebetete oder an den kommunen Schnap, seien schöne Stimme und sein stupendes Gitarrenspiel begeisterten sehr. Stimmführend in der Klezmermusik, die zwischen schluchzend und himmelhochjauchzend changiert, ist ganz oft die Klarinette. In den traditionellen Weisen übernimmt sie - klanglich verwandt - die Rolle der menschlichen Singstimme. In keinem andern Musikstil singt sie so inbrünstig und herzerweichend, lachend und aufmüpfig. Der Virtuose Moritz Roelcke entlockte dem Instrument sämtliche Emotionen. Schon beim Soundcheck der Musizierenden war klar:Hhier sind lauter Meisterhafte am Werk. Die klassisch und in Jazz ausgebildeten Profis vereint die Liebe zur speziellen Musik aus dem europäischen Judentum.
Sie lieben es, abseits der gewohnten Pfade zu musizieren, Musik zu machen, die vom Leben getränkt ist, wie Rumpelstilzchen auf der Bühne zu tanzen und teuflisch schnelle Tonkaskaden zu spielen - bis dem Publikum der Atem stockt und die Beine kribbeln. «Cheibe Balagan» hatten am Freitagabend das Publikum in der Kunsthalle Appenzell vom ersten Moment an «im Sack»; es applaudierte und jubelte nach jedem Stück und hatte nach eineinhalb Stunden pausenlosem Turbo-Klezmer nicht genug.
(Bild und Text: Monica Dörig)